Rezensionen

Eine vielseitige Künstlerin

Marianne Pitzen, Frauenmuseum in Bonn

Das komplexe Leben von Hildegard Herget kommt in ihrer Kunst nicht direkt zum Ausdruck, denn ihrem Leitmotiv entsprechend, „Das Schwerste in der Kunst ist das Einfache“ sind ihre Bilder und Skulpturen von einer beeindruckenden Konzentration auf das Wesentliche geprägt. Hier ist nichts zufällig und man spürt eine gewisse Radikalität. Dass sich die Künstlerin auch Leistungssport, insbesondere Hürdenlauf, betrieb, lassen ihre sehr aufrechten und asketischen Figuren, ob gemalt oder in Bronze, erahnen.

Aber Sport ist nicht nur Körper, sondern auch eine geistige Haltung. Das gilt ebenso für die Zeit ihrer Tätigkeit als Modedesignerin. Die Entwürfe zeigen die ihre eigene Klarheit und Perfektion. Der übliche Weg einer Künstlerin war das keineswegs. Sieben Kinder brachte sie zur Welt. Nach der Trennung von ihrem Mann 1981 zog sie mit den jüngeren Kindern nach Salzburg, wo sie sich endlich ein neues Leben als freie Künstlerin aufbauen konnte. Aus den Kämpfen ihres Daseins um Kunst und Selbstbestimmung entspringt das zweite Lebensmotto „…aufgeben gibt’s nicht“. Nie hörte sie auf, sich weiter zu bilden und ihre Ansprüche an sich selbst zu steigern, immer intensiver wurde ihr Streben in die Kunstöffentlichkeit, zu verstärkter Ausstellungstätigkeit. Sie scheute nicht vor dem Aufwand,von Bronzegüssen herzustellen. zurück, und so entstanden nicht nur die Gruppen von schmalen Gestalten in verschiedenen Größen und Ausdruck, sondern auch Metallobjekte wie Insekten, Libellen, und ganz monumental die Skulptur „Fusion“ im Bonner Regierungsviertel, ein Treffen riesiger Vögel.

In den Bildern experimentierte sie mit festen und wieder brüchigen Malweisen, doch immer mit der Grundform des Menschen, des meist weiblichen. Im Menschenbild kommen schlussendlich alle Stränge ihrer Lebensphasen zusammen: Vom Sport zur Mode, Familie und Zielpunkt Kunst. In der Kunst vereinigt sich alles, was Hildegard Herget dachte und tat.

Marianne Pitzen, Frauenmuseum in Bonn

Hier steht der Mensch im Mittelpunkt

Dr. Sigrun Loos, Rupertinum Salzburg

In Zeiten, in denen sich das Karussell des Künstlerbetriebs selbst zu überholen droht, haben wir es fast verlernt, Entwicklungen über längere Zeiträume zu beobachten und jene Künstler zu schätzen, deren Werk durch Konstanz und Kontinuität einer Idee bestimmt wird. Oft geraten Künstler ganz plötzlich in die Mühlen eines gnadenlosen Kunstmarktes, um nach kurzer Zeit wieder fast in Vergessenheit zu geraten. Hildegard Herget hat sich diesen Zwängen nicht unterworfen; ihr Werk ist die Folge einer konsequenten, nur sich selbst verpflichteten Entwicklung.

Ihre Aquarelle, Ölbilder und Bronzen zeigen eindrucksvoll einmal die beiden thematischen Schwerpunkte des Oeuvres und zum anderen deren Aufteilung auf die Techniken Bronzeguss – Malerei – und Aquarell. Im dreidimensionalen Medium der Skulptur wie auch malerischen Werk ist der Mensch zentrales Thema. Die auf Torsi reduzierten Bronzefiguren sind entpersönlicht und in ihrer strengen Ruhe von steelenhafter Wirkung. Keine individuelle Charakterisierung stört ihr scheinbar gestenloses Sein – und trotzdem sind sie von großer Aussagekraft: Sie vermitteln das Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach dem Dialog, aber auch Gefühle von Freude oder Angst.

Die Bronzen finden im gemalten Oeuvre ihre Entsprechung. Auch hier steht der Mensch im Mittelpunkt, in würdevoller Ruhe und verhaltener Gestik dargestellt, seinem Gegenüber stets zugeneigt. Und auch in diesem Medium vermag Hildegard Herget die für sie so wichtige Botschaft von den humanen, zwischenmenschlichen Beziehungen wie Gespräch, Zuneigung und Liebe gerade mittels dieser zeit- und ortsentrückten Wesen auf das Eindringlichste zu vermitteln. Indem sie sie entpersönlicht, vermag sie Allgemeingültiges auszudrücken und lässt dem Betrachter gleichzeitig die Freiheit zur Projektion jeweils eigener Empfindungen und Visionen. Dass ganz und gar nicht oberflächlicher Optimismus waltet, beweisen Verletzlichkeit, Ausgesetztheit und Empfindsamkeit, die von diesen Figuren ausgehen.

Ganz anders die Welt ihrer Aquarelle: Der Wechsel von der Staffelei und den opaken Ölbildern zum Papier und dem flüchtigen Medium der Wasserfarben bedeutet gleichzeitig den Stimmungswechsel von der kontemplativen zur heiteren spontanen Seite ihrer Persönlichkeit. Das Aquarell, die höchste wie schwierigste graphische Kunst, kommt Hildegard Hergets lebhaftem, malerischem Temperament besonders entgegen. Der farbige und formale Rhythmus der Darstellung ruft mehr Assoziationen hervor als jene gegenständliche Abbildung. Die Farben, das sind die Zustände der Tages- und der Jahreszeiten, der Lust und Laune; sie verdichten sich, verlieren sich wieder, verrinnen wie die Zeit und bleiben wie die Erinnerung.

Dr. Sigrun Loos, Rupertinum Salzburg

Mit großer Hochachtung und voller Dankbarkeit

Kunstgießerei Otto Strehle

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst,

das Lebenswerk von Frau Hildegard Herget umfasst natürlich nicht nur Skulpturen aus Bronze oder Messing, aber dies ist der Teil des künstlerischen Schaffenswerkes, auf dem wir als Kunstgießerei diese außergewöhnliche Künstlerin 25 Jahre begleiten durften.
Man könnte nun viele Worte darüber verlieren, wie bemerkenswert es für eine Frau und Mutter von 7 Kindern ist, überhaupt als Malerin und Bildhauerin tätig und erfolgreich zu sein. Aber damit würde man dem Werk von Hildegard Herget nicht gerecht werden. Je mehr man sich mit Ihrem Werk beschäftigt, umso mehr kommt man zu dem Schluss, dass Hildegard Herget eine beeindruckende Künstlerin nicht „obwohl“ Frau und Mutter, sondern „weil“ Frau und Mutter war.

Lebenslust und Lebensfreiheit hat nur, wer mit beiden Beinen im Leben steht und es dennoch schafft, sich die Freiräume zu schaffen, die eine Entfaltung der Talente ermöglicht. Dabei möchte ich ein Talent der Künstlerin als Bildhauerin besonders hervorheben:
Eine Gabe von Hildegard Herget war es, aus der Grundform einer Skulptur immer wieder neue Skulpturen zu schaffen, die nicht nur eine Abwandlung des Vorhandenen waren, sondern ganz neue und eigenständige Kunstwerke. Die Skulpturen entstanden daher nicht als isolierte Einzelstücke, sondern in einem ständigen Prozess des sich Weiterentwickelns.

Auch wenn es mir vielleicht nicht obliegt, eine derartige Bewertung abzugeben, aber so würde ich sagen, dass sich gerade in dieser Art des Schaffens auch der künstlerische Werdegang von Hildegard Herget widerspiegelt.
Mit großer Hochachtung und voller Dankbarkeit sind wir – die Mitarbeiter der Kunstgießerei Strehle und ich ganz persönlich – stolz, dass wir zur Umsetzung dieses künstlerischen Schatzes einen kleinen Beitrag leisten durften.

Otto Strehle, Winhöring / Altöttingen